Im Südwesten Portugals windet sich einer der schönsten Wanderwege der Welt durch die Küstenlandschaft. Der sogenannte Fishermen’s Trail folgt, ganz seinem Namen nach, alten Fischerpfaden und verbindet dabei urige portugiesische Küstendörfer mit den Klippen der vinzentinischen Küste. Auf 230 spektakulären Kilometern kommt man dem wilden Atlantik ganz nahe.
27 Grad, tiefblauer Himmel, das Krächzen der Möwen, Meeresrauschen – die Algarve, Portugals südwestlichste Region, zeigt sich bei Ankunft von ihrer besten Seite. Hier, in Lagos, einem der beliebtesten Ferienorte des Landes, beginnt der Fishermen’s Trail. Der kleine Ort ist von zahlreichen zufuß erreichbaren Stränden umgeben und ermöglicht durch seine besondere Lage nicht nur den Sonnenaufgang, sondern auch den Sonnenuntergang über dem Meer zu beobachten. Gleich am ersten Morgen atme ich die frische salzige Morgenluft ein, schaue aufs Meer hinaus und spüre den Zauber, den bereits Hermann Hesse in jedem Anfang innewohnen fühlte.
Von Traumstrand zu Traumstrand
Der Blick von den Klippen hinunter auf die Strände von Lagos, der die warmen Farben der Felsen und des Strandes mit dem türkisen Meer in Kontrast setzt, lässt mich an Postkartenmotive denken. Kleine Kalksteininseln thronen wie Wächter vor der Küste. Der Ozean hat über die Jahrtausende an ihrem Fuß den Kalk ausgespült und machte sie zu eiförmigen Gebilden. Zwischen den Felsen findet man Sandbänke, die aus dem zerriebenen, vom Fels gelösten Gestein bestehen. In einigen Felsen haben sich Durchgänge gebildet, welche den vielen hier nistenden Vögeln als beliebte Abkürzung dienen. Agaven, Importe aus Lateinamerika, säumen die äußersten Ränder der Klippen und recken mit ihren riesigen stachligen Blattsprossen dem Ozean entgegen. Am Strand höre ich die Möwen schreien, den verhältnismäßig ruhigen Atlantik rauschen und rieche die Meeresbrise. Ich bade und genieße und denke, schöner kann es gar nicht werden.
Mit einem riesigen Peacezeichen aus Steinen am gegenüberliegenden Hang begrüßen die Bewohner eines Hippystrandes ihre Besucher. Es ist eine Strandzunge, die ins Hinterland hineinzieht, umsäumt von zwei Hügeln mit mediterranem Gebüsch. Ein kleiner Parkplatz grenzt an den Strand, sonst gibt es hier weit und breit nichts. Man erzählt mir, dass einige hier schon seit Monaten leben, zum Teil in Höhlen, zum Teil in ihren Campern und in einer kleinen Hütte, die der Besitzer an die Meute abgegeben hat. Das Angebot hier zu übernachten, schlage ich aus, denke mir aber, irgendwann komme ich hierher zurück und hör mir die Geschichten dieser Menschen an. Ich mache mich wieder auf meinen Weg, mit dem Gefühl von unbegrenzter Freiheit, der Musik von Trommeln und dem Klang singenden Stimmen in mir.
Ein anderer Strand begegnet mir mit harter Kälte. Das Gestein, in das er gelegt ist, ist grauschwarz und schichtig und es passt zum heutigen Himmel. Es schaut so aus, als ob Platten daraus einfach abgesplittert wären. Ich frage mich, wie so was wohl entstanden ist. Vor dem Strand liegt eine Insel mit grotesker Form. Der Atlantik zischt und peitscht in die Bucht hinein. Der Strand besteht aus grauem, dunklen Kiesel und runden, großen Steinen. Zum Baden ladet hier nichts ein, wohl auch nicht bei schönem Wetter.
Im Kopf verschwimmen die Erinnerungen bald und was bleibt ist eine tiefe Verbindung zu dieser Küste und ihren wunderbaren Plätzen. Die weit gereiste Seele wandert unterwegs durch Amerika, Südafrika, aber auch durch Irland, Kolumbien und Neuseeland – Erinnerungen aus aller Welt in einen einzigen portugiesischen Landschaftsstrich verpackt. Nicht nur die atemberaubenden Strände, sondern auch die Dünen durch die man wandert, mit ihrer einzigartigen Vegetation und ihren stetig wechselnden Farben zwischen nahezu weiß bis zitronengelb bis orange und braun und karmesinrot, lassen jede Anstrengung vergessen.
Von Dorf zu Dorf
So unterschiedlich die Strände auf dem Weg sind, so unterschiedlich sind auch die Dörfer. Im touristischen Süden kommt man an Dörfern mit Pauschaltourismus und Surf-Hotspots vorbei, im ländlichen Norden an kleinen Fischerdörfern, die noch kaum an Fremde gewöhnt sind. Auch Orte im Hinterland werden gestreift, was Einblick in das Leben abseits des Ozeans gibt.
Lagos, der Startpunkt des Fishermen’s Trail, ist mit 22.000 Einwohnern weitaus die bevölkerungsstärkste Ortschaft der Strecke. Die Kleinstadt hat ein reges Nachtleben und zieht damit und mit seinen herausragend schönen und leicht erreichbaren Stränden zahlreiche Touristen an. Der weiße Marmor aus dem die Pflastersteinchen geschlagen wurden, blendet morgens mit den Häuserwänden um die Wette. Internationale Küchen haben es ins Örtchen geschafft und verwöhnen den Gaumen mit mexikanischen, indischen und thailändischen Freuden. Veganern wie mir, die ich mich auf harte Zeiten in Portugal eingestellt hatte, schlägt das Herz bei all den Möglichkeiten, gleich ein bisschen höher.
Über eine nach unten gewölbte Straße steuert man auf die alte, kleine Windmühle des Fischerdorfes Odeceixe zu. Sie ist das Wahrzeichen des Dorfes und kann auch besichtigt werden. Der Wanderer steigt von hier über steile, verwinkelte Gassen zwischen schneeweißen Häuschen weiter zum Dorfplatz, dem Herz des nicht einmal tausend Einwohner zählenden Dorfes, ab. Hier ist die Stimmung locker und sympathisch. Beim Sippen meines Soja Cappuccinos denke ich, das muss auch ein schöner Ort zum Verweilen sein. Schon bald wird mir ein Reisefreund, der Odeceixe zu seinem Lieblingsdorf auf dem Weg erkor, mein Gefühl bestätigen.
Im Küstenörtchen Arrifana wurde, ganz im Gegenteil zu Lagos und Odeceixe, reichlich Platz zwischen den Häusern gelassen. Das Dorf ist auf mehrere Hügel lose verteilt und zeigt erst auf den zweiten Blick seine Schönheit. Zwar liegt die natürlich im Auge des Betrachters, doch was bestimmt jedem auffällt, ist wieviel mehr Platz es hier für blühende Pflanzen gibt. Ein Garten ist prachtvoller als der nächste. Vor Arrifana liegt der Ozean, dessen Wellen sich perfekt für Surfanfänger eignen. Beim Beobachten wächst die Lust sich selbst mal in die Wellen zu schmeißen. Im nächsten Urlaub dann, nehme ich mir vor.
Die Menschen
Im Oktober ist am Fishermen’s Trail die Hochsaison vorbei und es sind immer weniger Wanderer anzutreffen. Je nachdem in welche Richtung man den Wanderweg geht, kann man sich entscheiden, ob man mit den meisten anderen, oder ihnen entgegen wandert. Für mich war das Entgegenwandern die richtige Variante, weshalb ich im Süden startete. Ich wollte die Wandertage für mich behalten, alleine früh losstarten, die Natur in mich aufsaugen, ohne menschliche Ablenkung neben mir. In den Unterkünften traf ich durch meine Entscheidung, bis auf wenige Ausnahmen, jedes Mal andere Menschen.
Das war zum Beispiel Berton, ein wanderbegeisterter Franzose, der gefühlt schon überall auf der Welt war. Er erzählt mir von seinen zahlreichen Wanderungen um die Welt und lässt mich beim Anblick seiner Fotos in Gedanken gleich die nächste Tour planen. Mit Vino Verde vor dem Abendessen berauschen wir uns in kürzester Zeit. Im Restaurant benehmen wir uns wie Kinder. Ein lustiger Abend. Wir lernen noch zwei ältere Portugiesen kennen, die uns vom Autohandel und dem Leben als Seefahrer erzählen. Unterschiedlicher könnten Freunde nicht sein. Man arrangiert sich wohl am Land und es kommen Menschen zusammen, die sich in der Stadt nie finden würden.
Eine junge Frau, die ich in einem Surferhostel kennen lernte, erzählt mir, dass sie Ärztin ist und das ihr erster Urlaub seit über einem Jahr. Sie arbeitet in Madrid auf der Covidstation. Den Urlaub hatte sie bitter nötig, sagt sie. Ich überlege mir wie wenig sie als Ärztin verdienen muss, dass sie in diesem Hostel gelandet ist, welches für frühaufstehende Wanderer gänzlich ungeeignet war..
Zwischen all den Begegnungen war zuletzt vor allem noch Mario – ein junger, motivierter Deutscher, der einzige, den ich fast jeden Tag traf. Ein ruhiges Gemüt mit dem man auch mal still sein kann, der am Abend aber geselliger wird, als man am Tag erwartet. Wir erreichten zusammen unser Ziel Porto Covo, durchlebten so einige Höhen und Tiefen gemeinsam und werden wohl für immer Freunde bleiben.
Im Grunde sind die Menschen in Südwestportugal jung, international und freundlich. Komischerweise lernte ich kaum Portugiesen kennen, was wohl unter anderem mit dem schnellen Reisen und den scheuen Unterkunftsbesitzern zu tun hatte. Hotelschlüssel sind oft in Schlüsselboxen hinterlegt, der Code wird nach Buchung per Whatsapp zugeschickt. Eine Begegnung mit einem besonders sympathischen Hostelbesitzer und seiner deutschen Frau ist mir aber in Erinnerung geblieben. Die beiden waren mit Herz und Seele in ihrem Job, hatten immer ein Lächeln auf den Lippen und ladeten alle Gäste auf Tee, Rotwein und eine Waschmaschine mit Trockner ein.
Organisation des Treks
Grundsätzlich muss man nicht viel organisieren, um den Fishermen’s Trail zu laufen. Unterkünfte aller Art findet man auf Booking.com oder Airbnb und wenn man nicht in der Hochsaison (Sommermonate) wandert, reicht die Buchung am gleichen Tag. Natürlich kann es dann mal sein, dass man nicht mehr die allergünstigste Unterkunft bekommt, dafür bleibt man flexibel. Ich habe nach einigen Tagen Konditionsaufbau begonnen eineinhalb Etappen am Tag zu laufen, weil mir die vorgeschlagenen 20 km pro Tag zu wenig waren. An einem Regentag verbrachte ich zwei Tage in derselben Unterkunft. Hätte ich voraus gebucht gehabt, wären diese spontan getroffenen Entscheidungen nicht möglich gewesen.
Auf der Internetseite der Rota Vicentina findet man eine genaue Beschreibung aller dreizehn Etappen des Fishermen’s Trail. Es werden Hintergrundinformationen über Geologie, Flora und Fauna gegeben. Zudem erfährt man wie lang und wie schwierig die Etappe sein wird. Ich fand die Stundenangaben für die Etappen zutreffend. Mitgezählt wurden auf jeden Fall kleine Pausen.
Die Wegkennzeichnung des Fishermen’s Trail ist in beide Richtungen vorbildlich. Grün-blau sind die Markierungen, manchmal, wenn man ins Landesinnere wandert, wechseln sie zu gelb-rot. Für den Fall, dass man sich trotzdem mal verliert, ist es ratsam eine Offlinekarte (zB von Maps.me) auf dem Handy zu haben. Auf der Rota Vicentina – Homepage kann man sich den Wegverlauf zu jeder Etappe herunterladen.
Einpacken sollte man, wie immer auf längeren Wanderungen, so wenig wie möglich. Wichtig sind meiner Meinung nach regenfeste Kleidung, hohe Wanderschuhe, eine Taschenlampe, eine kleine Powerbank fürs Handy, ein Messer und ein kleines Erste-Hilfe-Kit. Den Schlafsack kann man zuhause lassen.
Das wars für heute von der Oktotussi!
Wenn euch der Artikel gefällt, werdet Facebook-Freund oder schaut euch auf der Webseite um und verpasst ab heute nichts mehr aus den weiten Tiefen des Oktoversums.
Lasst uns eine Community werden!
♥ Oktokussi ♥